Das komplexe Verfahren ist doch nicht so komplex
Aufgrund einer Beschwerde hatte sich der VGU mit der Werbung eines KFZ-Händlers zu beschäftigen, der bei der Bewerbung von Elektrofahrzeugen u.a. mit den Hinweisen
„Alle BAFA-Bezuschussungsanträge stellen wir für Sie“
sowie
„Sie müssen sich mit dem (komplexen) Antragsverfahren nicht beschäftigen“
geworben hatte.
Es stellte sich die Frage, ob in dieser Ankündigung ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) zu sehen war, weil diese weitreichende Ankündigung eine Rechtsbesorgung im Einzelfall enthält, die über das als Nebentätigkeit Erlaubte hinaus geht.
Das Landgericht Bielefeld wies die Klage des VGU insoweit ab. Nach seiner Auffassung werde diese Werbung trotz dem in Klammern gesetzte Zusatz, wonach das Antragsverfahren „komplex“ ist, und trotz dem Hinweis, dass der Kunde sich nicht nur nicht um die „Antragsstellung“ nicht mehr zu kümmern braucht, sondern um das (gesamte) „Antragsverfahren“, vom angesprochenen Verkehr lediglich dahingehend verstanden, dass das Autohaus die Eingabe von tatsächlichen Angaben in das Antragsformular erbringe. Das sei erlaubt.
Gegen diese Entscheidung legte der VGU Berufung beim OLG Hamm ein. Denn zu vergleichbaren Konstellationen haben uns bereits diverse Anfragen aus dem Mitgliederkreis erreicht. Zumindest das LG Aachen schien in seiner Entscheidung vom 12.05.2009, AZ: 41 O 1/09, noch einen deutlich strengeren Standpunkt eingenommen zu haben. Gleiches gilt für die Entscheidung des BGH „Fördermittelberatung“, – I ZR 128/02 -, vom 24.02.2005, die über den folgenden Link abgerufen werden kann:
Denn hiernach schien zunächst nur die reine Beratung über Fördermittel als zulässig, nicht jedoch die aktive Unterstützung des Kunden im Antragsverfahren. Zu diesem Fragenkomplex durch eine Entscheidung des OLG Hamm etwas mehr Rechtsklarheit zu erreichen, schien uns daher geraten.
Mit Beschluss vom 27.04.2023 wies das OLG Hamm nunmehr darauf hin, dass der angesprochene Verbraucher die streitgegenständlichen Werbeaussagen „Alle BAFA-Bezuschussungsanträge stellen wir für Sie“ und „Sie müssen sich mit dem (komplexen) Antragsverfahren nicht beschäftigen“ in der streitgegenständlichen Werbung nach seiner Auffassung lediglich dahingehend verstehen könne, dass das Autohaus für den Kunden die Fördermittelanträge stellt und gegebenenfalls im Laufe des Antragsverfahrens auftretende Unstimmigkeiten und Nachfragen mit der Subventionsbewilligungsbehörde kläre. Demgegenüber seien die streitbefangenen Hinweise nicht als die Ankündigung eines noch „weitreichenderen“ und für ein Autohaus auch untypischen „rechtlichen“ Tätigwerdens für den Kunden zu verstehen. Das Adjektiv „komplex“ verstehe der mit der Werbung angesprochene Verkehr allenfalls als Hinweis auf den durchaus nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand bei einer solchen Antragstellung. Selbst wenn es sich bei der Klärung von „Unstimmigkeiten und Nachfragen“ durch das Autohaus um eine Rechtsdienstleistung handeln sollte, sei die Erbringung dieser Dienstleistung durch § 5 RDG gedeckt. Hiernach sind Rechtsdienstleistungen mit einer anderen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehört, erlaubt. Diese erlaubte Nebenleistung ist nach der Auffassung des OLG Hamm also – weniger streng als es die oben bereits erwähnte Entscheidung des BGH vermuten ließ – nicht nur auf die Beratung zu Fördermitteln beschränkt, sondern erlaubt auch eine aktive Unterstützung bei der Antragstellung.
Entsprechend dem Hinweis des OLG Hamm wurde die Klage vom VGU zurückgenommen.
Der Hinweisbeschluss des OLG Hamm kann unter folgendem Link abgerufen werden:
https://www.vgu-koeln.de/wp-content/uploads/2023/05/20230502122123.pdf